Zukünftige Finanzsysteme

Wie Blockchain unsere Finanzsysteme transformiert

Jan Gäth

Jan Gäth

Associate Consultant

  • 23.04.2025
  • Lesezeit 7 Minuten
Blockchain Finanzsysteme Transformation
Key Takeaways
  • Die Finanzwelt befindet sich im Wandel, von zentralisierten Strukturen hin zu dezentralen Lösungen.

  • Durch die Tokenisierung von Vermögenswerten werden bisher unzugängliche Märkte für die Allgemeinheit geöffnet.

  • Finanzinstitute bleiben im neuen Finanzsystem relevant, passen jedoch ihre Produkt- und Dienstleistungsangebote an den technologischen Fortschritt an.

Mit der einmillionsten digitalen Wertpapier-Emission auf der D7-Plattform der Deutschen Börse markiert der Finanzplatz einen Meilenstein in der digitalen Transformation der Kapitalmärkte. Dies ist ein Beispiel von vielen, wie die Blockchain-Technologie, Smart Contracts und dezentrale Prozesse die Art und Weise revolutionieren, wie wir finanzielle Transaktionen durchführen und Vermögenswerte verwalten. Doch was bedeutet das für Banken, Versicherungen und andere etablierte Institutionen?

Von Intermediären zum dezentralen Finanzsystem

Die traditionelle Finanzwelt ist geprägt von zentralen Institutionen: Banken, Versicherungen und Asset Manager agieren als Intermediäre und bieten Dienstleistungen wie Kreditvergabe, Zahlungsabwicklung oder Vermögensverwaltung an. Sie sind es auch, die den Handel mit klassischen Finanzinstrumenten wie Aktien, Anleihen oder ETFs ermöglichen.

Doch die Zukunft der Finanzwelt sieht zunehmend anders aus. In den kommenden Jahren wird die Blockchain-Technologie eine immer zentralere Rolle spielen. Sie erlaubt es, Finanzinstrumente direkt und ohne Intermediäre zu handeln, indem sogenannte Smart Contracts – selbst ausführende Programme – die Rolle traditioneller Institutionen übernehmen.

Was ist ein Smart Contract?

Ein Smart Contract ist ein digitaler Vertrag, der auf einer Blockchain liegt. Sobald vordefinierte Bedingungen erfüllt sind, wird die hinterlegte Aktion automatisch ausgelöst – etwa eine Zahlung oder die Übertragung eines Tokens. Diese Smart Contracts basieren auf Protokollen wie Ethereum oder Solana und ermöglichen die automatisierte sowie transparente Abwicklung komplexer Finanzprozesse. Sie gelten als manipulationssicher, da sie nach der Veröffentlichung unveränderlich sind, und ermöglichen gleichzeitig, traditionelle Finanzprozesse effizienter und kostengünstiger zu gestalten.

Digitale Assets: mehr als nur Krypto

Durch die Nutzung von Smart Contracts eröffnet die Blockchain-Technologie nicht nur neue Möglichkeiten für Finanztransaktionen, sondern auch für die Gestaltung und Verwaltung von Vermögenswerten. Hier kommen digitale Assets ins Spiel. Obwohl bei Blockchain oft sofort an bekannte Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ethereum gedacht wird, geht die Bedeutung digitaler Assets weit über diese hinaus. Digitale Assets umfassen eine breite Palette von Finanzinstrumenten, die in digitaler Form existieren und die traditionellen Finanzprodukte repräsentieren. Dabei werden klassische Wertpapiere durch sogenannte digitale Wertpapiere ersetzt, die direkt auf der Blockchain abgebildet werden. Diese Veränderung hat weitreichende Auswirkungen: Sie beseitigt nicht nur die Notwendigkeit einer physischen Verwahrung von Vermögenswerten, sondern ermöglicht auch einen schnelleren, effizienteren und kostengünstigeren Austausch.

Die Demokratisierung der Anlagewelt durch Tokenisierung

Ein besonders wichtiges Konzept in dieser neuen Finanzwelt ist die Tokenisierung. Hierbei werden Vermögenswerte in kleinere Einheiten aufgeteilt, die dann digital gehandelt werden können. Stellen Sie sich vor, Sie besitzen ein Stück einer Flasche Château Lafite Rothschild oder einen Teil eines berühmten Gemäldes – nicht in physischer Form, sondern als digitale Anteile, die ganz bequem über eine Blockchain gehandelt werden. Dies erlaubt es kleineren Sammlern oder Investoren, Zugang zu exklusiven Märkten zu erhalten, die traditionell nur den Akteuren mit dem nötigen Kleingeld geöffnet waren.

Die Tokenisierung findet jedoch nicht nur im Bereich der Sammlerstücke oder Kunst statt, sondern betrifft auch klassische, hochpreisige Finanzprodukte. So können etwa Schuldverschreibungen, die bislang vor allem institutionellen Anlegern vorbehalten waren, durch Tokenisierung in kleinere Einheiten unterteilt werden, die auch für Privatanleger zugänglich sind.

Die Zukunft der Transaktionen: Stablecoins und CBDCs

Abseits des Investierens bieten digitale Assets auch im Bereich der Zahlungen und Transaktionen neue Möglichkeiten. Stablecoins – also stabile, digitale Währungen – und auch digitale Zentralbankwährungen (Central Bank Digital Currencies – CBDCs), wie der Digitale Euro, werden zunehmend an Bedeutung gewinnen. Diese Währungen zeichnen sich durch ihre Programmierbarkeit aus, was eine direkte Interaktion mit Smart Contracts ermöglicht. Sie können so als Basis für automatisierte, transparente und schnelle Finanztransaktionen dienen, ohne dass eine zentrale Institution eingreifen muss.

Welche Rolle nehmen klassische Finanzinstitute im zukünftigen Finanzsystem ein?

Auch wenn das zukünftige Finanzsystem große Potenziale bietet, vollzieht sich der Wandel bislang eher schrittweise. Dennoch entstehen bereits heute spannende Anwendungsfelder, in denen Finanzinstitute weiterhin eine zentrale – wenn auch zunehmend transformierte – Rolle einnehmen. Sie agieren nicht mehr ausschließlich als klassische Intermediäre, sondern entwickeln sich zu Vermittlern, Beratern und Anbietern digitaler Infrastrukturen:

  • Vertrauensinstanz und Regulierung: Obwohl die Digitalisierung von Finanzprodukten viele Prozesse vereinfacht, bleibt die Einhaltung regulatorischer Anforderungen unerlässlich. Gesetze wie die MiCAR oder das eWpG bieten die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Umgang mit digitalen Assets. Finanzinstitute könnten durch ihre Erfahrung eine Schlüsselrolle dabei spielen, insbesondere bei der Emission von digitalen Wertpapieren oder der Tokenisierung von Vermögenswerten.
  • Digitales Asset-Management: Finanzinstitute könnten als Verwalter und Verwahrer von tokenisierten Vermögenswerten agieren. Dies ist besonders relevant, weil der Handel mit tokenisierten Finanzinstrumenten keine physische Verwahrung von Wertpapieren mehr erfordert, aber dennoch ein hohes Maß an Sicherheit und Vertrauen benötigt, das Kunden eher ihrem Finanzinstitut entgegenbringen.
  • Finanzierung und Beratung: Die Tokenisierung schafft neue Anlageprodukte und senkt Einstiegshürden für Investoren. Finanzinstitute können hier passende Finanzierungsmodelle anbieten und gleichzeitig beratend unterstützen – etwa um Risiken transparent zu machen und Fehlinvestitionen zu vermeiden.
  • Digitale Infrastruktur & Netzwerke – Beispiel SWIAT: SWIAT (Secure Worldwide Interbank Asset Transfer) ist eine Plattforminitiative, die von Finanzinstituten wie der DekaBank ins Leben gerufen wurde. Ziel ist es, eine Art „internes Internet für Banken“ zu schaffen, auf dem digitale Vermögenswerte – wie tokenisierte Wertpapiere oder Schuldverschreibungen – direkt zwischen Banken, Versicherungen und institutionellen Investoren gehandelt werden können und Liquidität einfach bereitgestellt wird. Anders als bei komplett dezentralen Börsen (DEX) basiert SWIAT auf einem zugangsbeschränkten, regulierten Netzwerk: Nur verifizierte Teilnehmer sind zugelassen, Transaktionen erfolgen in Echtzeit, und alle Vorgänge sind standardisiert und prüfbar. Die Plattform ersetzt dabei nicht die Bank, sondern macht sie teilweise eines globalen digitalen Abwicklungsnetzwerks – effizient, sicher und kompatibel mit regulatorischen Vorgaben.

Decentralized Exchanges (DEX): Der Handel ohne Intermediäre

Ein DEX (Decentralized Exchange) ist keine klassische Börse wie Coinbase oder Binance, sondern ein dezentrales Protokoll, das aus einer Reihe von Smart Contracts auf einer Blockchain besteht. Der Handel erfolgt Peer-to-Peer, also direkt zwischen den Nutzern, ohne zentrale Plattform, Registrierung oder Intermediär. Die Smart Contracts übernehmen dabei den Token-Austausch, während die Verwahrung und das Handling der digitalen Vermögenswerte vollständig den Nutzern selbst überlassen bleiben. Dies bedeutet, dass auch das Risiko beim Handel direkt von den Nutzern getragen wird. Aufgrund der dezentralen Struktur sind DEXs bislang kaum reguliert, was die Haftung und Verantwortung dieser Plattformen erschweren. Trotz oder gerade wegen der Dezentralität können klassische Finanzinstitute hier als stabilisierende und vertrauensbildende Akteure auftreten. Um einige aktuelle Beispiele und Ideen zu nennen:

Banken positionieren sich zunehmend als Brücke zwischen Fiatgeld und Kryptowährungen, indem sie Services anbieten, mit denen Kunden direkt aus ihrem Bankkonto heraus in Krypto-Wallets einzahlen können. Einige Institute entwickeln benutzerfreundliche Frontends, über die sich DEXs einfacher bedienen lassen – inklusive integrierter Identitätsprüfung (KYC, Know Your Customer) und Maßnahmen zur Überwachung verdächtiger Transaktionen im Sinne der Geldwäscheprävention (AML, Anti-Money Laundering), um regulatorische Anforderungen zu erfüllen.

Parallel dazu arbeiten Versicherungen wie Nexus Mutual an Lösungen zur Absicherung digitaler Assets oder bieten Policen für Risiken beim Smart-Contract-Handel an – etwa bei Protokollfehlern, Cyberangriffen oder dem Verlust von Private Keys. Auch klassische Anbieter wie Aon, Marsh oder Munich Re beschäftigen sich mit der Entwicklung von Versicherungslösungen für den Krypto- und DeFi-Bereich, insbesondere im Hinblick auf institutionelle Anleger, Plattformbetreiber und Verwahrstellen.

Die Tokenisierung von Assets öffnet Märkte für neue Anleger – Smart Contracts automatisieren und beschleunigen Finanzprozesse, während klassische Institute ihre Rolle als digitale Brückenbauer im Finanzsystem der Zukunft annehmen.

Fazit

Das Finanzsystem der Zukunft wird zunehmend durch Blockchain-Technologien, digitale Assets und dezentrale Strukturen geprägt – auch wenn sich dieser Wandel derzeit noch in einer frühen Phase befindet. Klassische Finanzinstitute müssen jedoch keine Angst vor Blockchain oder Smart Contracts haben. Im Gegenteil: Sie arbeiten schon jetzt mit Fintechs zusammen, um gemeinsam innovative Lösungen zu entwickeln und das Finanzsystem zukunftsfähig zu gestalten. Wir von der PPI AG unterstützen Banken und Versicherungen dabei, ihre Rolle im dezentralen Ökosystem zu definieren, regulatorische Anforderungen einzuordnen und innovative Partnerschaften mit Fintechs strategisch zu gestalten.

Verfasst von

Jan Gäth

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