RIS

Retail Investment Strategy: Die heiße Phase im Trilog beginnt

Sandra Reinhard PPI AG

Sandra Reinhard

Senior Managerin

  • 15.04.2025
  • Lesezeit 5 Minuten
Retail Investment Strategy Trilog
Key Takeaways
  • Trilog auf einen Blick: Was Kommission, Parlament und Rat jeweils fordern – und was das für das MiFID-Regime bedeutet.

  • Regulatorische Stoßrichtungen erkennen: Welche Änderungen auf Geschäftsmodelle, Prozesse und Systeme zukommen – und wo der größte Anpassungsdruck entsteht.

  • Handlungsfelder frühzeitig identifizieren und adressieren: Frühzeitig die Entwicklungen im Blick behalten und Compliance-relevante Vorbereitungen treffen.

Schon 2023 haben wir in zwei Beiträgen (21. November und 6. Dezember) die weitreichenden Reformvorschläge der EU-Kommission im Rahmen der Retail Investment Strategy (RIS) analysiert – insbesondere im Hinblick auf die MiFID- und PRIIPs-Regelungen. Seither hat sich einiges getan: Neben dem ursprünglichen Vorschlag der Kommission aus Mai 2023 liegen nun auch die Positionen des EU-Parlaments (basierend auf dem Vorschlag des ECON, dem Wirtschaftsausschuss der Europäischen Parlaments, dem Committee on Economic and Monetary Affairs) sowie des Rates vor. Mit teils erheblichen inhaltlichen Differenzen startete am 18. März 2025 der Trilog – das zentrale Abstimmungsverfahren zwischen Kommission, Rat und Parlament.

Ein Blick auf die zentralen Konfliktlinien

Product Governance – zwischen Referenzwerten, Vergleichsgruppen und Preis-Leistungs-Bewertung

Besonders deutlich werden die Unterschiede bei der Regulierung von verpackten Anlageprodukten und deren Preisbildung. Die Kommission schlug einen Abgleich von Kosten- und Gebührenstrukturen mit ESMA-Referenzwerten vor. Der ECON verwarf diesen Ansatz und definierte stattdessen konkrete Anforderungen an Datenanbieter. Das Parlament ging noch weiter und forderte eine verpflichtende Vergleichsgruppenanalyse sowie eine Nachhaltigkeitsperspektive bei der Zielmarktfestlegung. Der Rat dagegen stuft die ESMA-Werte lediglich als Aufsichtsinstrument ein und plädiert für die Einführung eines Preis-Leistungs-Konzepts.

Zusätzliche Anforderungen betreffen die Zielmarktfestlegung: Das Parlament fordert, dass Anbieter u. a. die Liquiditätsbedarfe, die Resilienz gegenüber ökonomischen Schocks sowie langfristige Anlageziele der Kunden berücksichtigen. Compliance-Berichte sollen künftig auch geplante monetäre und nichtmonetäre Kundenvorteile sowie Vertriebsstrategien systematisch erfassen.

Marketing & Finfluencer – Anforderungen an Social-Media-Kommunikation

Die Kommission hat erstmals verbindliche Transparenzstandards für Marketing-Mitteilungen formuliert. Der ECON ergänzte dies um klare Anforderungen an „Finfluencer“ – inklusive schriftlicher Vereinbarungen und regelmäßiger Inhaltsprüfung. Das Parlament verschärfte diese Regeln nochmals, indem es zusätzliche Pflichten für die beauftragenden Investmentfirmen einführte. Allerdings hat die BaFin am 20. Februar 2025 verdeutlicht, dass Finfluencer in aller Regel den Tatbestand der Anlageberatung regelmäßig nicht erfüllen werden. Der Rat bleibt hier nah an der Linie der Kommission, lediglich mit Klarstellungen in den Begrifflichkeiten.

Sachkunde & Finanzbildung – Qualifikationsanforderungen steigen

Die Kommission fordert, eine verpflichtende jährliche Weiterbildung (15 Stunden) für Anlageberater einzuführen. Das Parlament verlangt darüber hinaus eine stärkere Kontrolle der Sachkunde durch die Aufsichtsbehörden – ebenso wird das Thema Nachhaltigkeit verankert.

Kundenklassifikation – neue Kriterien für die Einstufung als professioneller Kunde

Die Kommission schlägt vor, das Kriterium des Vermögenswertes für professionelle Kunden auf 250.000 EUR zu senken. Daneben wird die Definition der Berufserfahrung geschärft (demnach sollen auch Erfahrungen im Handel mit Finanzinstrumenten, die außerhalb einer beruflichen Tätigkeit im Finanzsektor erworben werden, Berücksichtigung finden) und eine Nachweispflicht eingeführt.  Während der ECON diese Vorschläge weitgehend stützt, fordert das Parlament zusätzliche Überwachungsmechanismen und Berichtspflichten zur Transparenz im Beratungsprozess.

Anlageberatung – Einheitliches Ziel, unterschiedliche Schwerpunkte bei der Ausgestaltung

Kommission und Parlament verfolgen weitgehend identische Vorgaben: Die Anlageberatung soll im bestmöglichen Interesse des Kunden erfolgen und sowohl eine angemessene Produktpalette als auch das kosteneffizienteste Produkt berücksichtigen. Das Parlament fordert ergänzend die Einführung der erwarteten Nettorendite als weiteren Parameter; ebenso sollen mögliche zusätzliche Kosten transparent offengelegt werden. Der Rat erweitert diesen Ansatz um weitere qualitative Kriterien – etwa Wertentwicklung, Risiko und Nachhaltigkeit. Zudem soll künftig jede Empfehlung eines teureren Produkts schriftlich begründet und dokumentiert werden.

Zuwendungen & Interessenkonflikte – das Ringen um das Best-Interest-Prinzip

Ein besonders kontrovers diskutierter Bereich betrifft Provisionen. Die Kommission strebt ein Verbot von Zuwendungen im beratungsfreien Geschäft sowie ein Annahmeverbot in der Finanzportfolioverwaltung an. Nur für nicht-unabhängige Beratung sollen Zuwendungen unter Einhaltung des Best-Interest-Prinzips erlaubt bleiben. Sowohl der ECON als auch das Parlament lehnen diese Einschränkungen ab und setzen auf die Fortführung bestehender Regeln mit qualitätsverbessernden Maßnahmen.

Der Rat geht einen Mittelweg: Er fordert zusätzliche Schutzvorkehrungen zur Vermeidung von Interessenkonflikten – insbesondere eine einheitliche Prüfung der Kundeninteressen, erhöhte Transparenz über Anreizzahlungen sowie die Einhaltung übergreifender Grundsätze, die gegenüber den nationalen Behörden dokumentiert werden müssen.

Grenzüberschreitende Tätigkeiten – neue Transparenzpflichten

Ein weiteres konfliktträchtiges Thema sind grenzüberschreitende Finanzdienstleistungen. Die Kommission plant die Einführung einer ESMA-Datenbank mit verpflichtenden Meldungen. Der ECON verschärfte diese Vorschriften mit der Forderung, dass Unternehmen ihre Vertriebsländer explizit angeben und ein Kooperationsmechanismus zwischen Aufsichtsbehörden eingeführt wird.

Datenanbieter – Regulierung oder nicht

Während die Kommission in ihrer ursprünglichen Fassung keine expliziten Vorschriften machte, schlug der ECON erste Regulierungen vor, um die Kosten für Finanzunternehmen zu senken. Das Parlament verlangt einen Bericht innerhalb von fünf Jahren zur Bewertung, ob Anbieter von Finanzmarkt- und Nichtfinanzmarktdaten in den Regelungsbereich aufgenommen werden sollten.

Fazit: ein Gesetzgebungsvorhaben mit vielen offenen Fragen

Die RIS bleibt ein hochdynamisches Vorhaben mit teils konträren Positionen der EU-Organe. Der Ausgang des Trilogs wird maßgeblich bestimmen, wie stark die Eingriffe in etablierte Geschäftsmodelle und Prozessabläufe ausfallen. Für Kreditinstitute gilt: Wer frühzeitig regulatorische Trends erkennt, kann Risiken gezielt managen und potenzielle Chancen besser nutzen.

Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, sich mit den Implikationen für Compliance, Produktgestaltung und Vertrieb auseinanderzusetzen – nicht zuletzt im Hinblick auf die technische Umsetzung, Prozessanpassungen und IT-Infrastruktur. Gerne unterstützen wir Sie bei der Einordnung der aktuellen Entwicklungen und der strategischen Vorbereitung auf die kommenden regulatorischen Anforderungen.

Und das war nur ein Ausschnitt – welche weiteren Handlungsfelder die RIS bereithält und wie sich technologiebasierte Ansätze smart eingesetzt zur Reduktion sprungfixer Kosten nutzen lassen, zeigt unser „PPI-RIS-Themenkasten“:

Ein ganzheitliches Update dazu gibt es dann nach Abschluss des Trilogs.

Für Fragen und einen Austausch stehen wir jederzeit gerne zur Verfügung.

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