Product Governance, Kostentransparenz & Co.: Mehr Anlegerschutz und Transparenz?

Mit der Markets in Financial Instruments Directive (MiFID) hat der europäische Gesetzgeber zahlreiche Vorgaben geschaffen, die unter anderem den Anlegerschutz verbessern und die Transparenz für den Anleger erhöhen sollen. Die einzelnen Themenbereiche sind komplex in ihrer Umsetzung, erfordern regulatorisches Know-how, Prozessverständnis und technische Ideen zur Automatisierung.

Anlegerschutz mit Leben füllen

Regulatorische Compliance zu erfüllen, ist bei Banken die Basis im Wertpapiergeschäft. Nur dadurch lassen sich Reputationsrisiken, Kundenbeschwerden oder Bußgelder vermeiden. Typischerweise sind es prozessuale Unzulänglichkeiten oder menschliche Schwächen in der komplexen MiFID-Welt, die zu fehlerhaften Prozessen führen. Selbst in einer Idealwelt zeigt sich am Beispiel der Anlageberatung die Komplexität des Ganzen: Durch die Product Governance sollen passende Instrumente aus einer Palette vergleichbarer Finanzinstrumente ermittelt und diese dann empfohlen werden, wenn sie die Geeignetheitsprüfung bestehen. Dabei sind zuvor zahlreiche Offenlegungsverpflichtungen zu erfüllen, etwa eine entsprechende Kostentransparenz. Während des Orderprozesses ist die Einhaltung der Best Execution sicherzustellen sowie nachgelagerte Dokumentations- und Reportingverpflichtungen zu erfüllen. Eingebettet werden sollen diese Prozesse in ein Beschwerdemanagement und ein Weisungs- und Kontrollwesen – das Compliance-Management. Diese Begrifflichkeiten gilt es mit Leben zu befüllen – was das heißt, haben wir nachfolgend zusammengefasst.

Kostentransparenz darstellen:

Dem Kunden sind alle anfallenden Kosten offenzulegen – sowohl ex ante als auch ex post. Eine besondere Herausforderung ist hierbei die Ermittlung der Ex-ante-Kosten, welche oft noch nicht final bekannt sind. Ein einheitlicher Standard der Kostendarstellung soll dem Verbraucher helfen, Produkte besser vergleichen zu können. Grundsätzlich ist eine Verzichtsmöglichkeit seitens des Kunden nicht vorgesehen. Nur in Ausnahmefällen können abweichende Vereinbarungen getroffen werden.

Aufzeichnungspflichten erfüllen:

Eine der kostenintensivsten Anforderungen ist das Aufzeichnen sämtlicher Telefongespräche, die sich auf die Annahme, Übermittlung und Ausführung von Kundenaufträgen bezieht. Hier ist insbesondere auf eine aufsichtskonforme Einstellung in Bezug auf den Start einer Aufzeichnung zu achten. So genügt es nicht, am Ende des Gespräches die Aufzeichnung zu starten und das Gesagte noch einmal zusammenzufassen. Die Pflicht zur Aufzeichnung jeglicher elektronischer Kommunikation stellt Finanzinstitute gerade in der Kommunikation mit dem Kunden immer wieder vor neue Herausforderungen.

Product Governance – Zielmarkt festlegen:

Sowohl Hersteller als auch Vertreiber von Produkten sind verpflichtet, anhand vorgegebener Kriterien für jedes einzelne Produkt einen Zielmarkt festzulegen. Hierbei wird zwischen einem positiven und einem negativen Zielmarkt unterschieden. Der Verkäufer darf sich hierbei nicht auf die Angaben des Anbieters verlassen. Er ist vielmehr zu einer eigenen Festlegung im Rahmen eines Produktgenehmigungsprozesses verpflichtet – abhängig vom Geschäftsmodell und der Vertriebsstrategie. Diese ist an den ermittelten Vorgaben der Kunden hinsichtlich seiner Ziele und Bedürfnisse auszurichten, um einen zielmarktkonformen Vertrieb sicherzustellen.

Geeignetheitsprüfung wird zum Muss:

Das Kernstück der Geeignetheitserklärung bildet der Abgleich der Empfehlung des Anlageberaters mit den Kundenangaben anhand der Kriterien aus der Geeignetheitsprüfung. Eine individuelle Darstellung und Begründung gegenüber dem Kunden, inwiefern eine Empfehlung in Einklang mit seinen Anlagezielen und persönlichen Umständen steht, spielt hierbei eine besondere Rolle. Pauschale und standardisierte Aussagen ohne Bezug zum einzelnen Kunden, dem speziellen Finanzinstrument und der Situation, sind nicht zulässig.

Zuwendungen sensibel handhaben:

Eine der wesentlichsten Änderungen der MiFID II war die Neuregelung des Zuwendungsverbotes. So gilt für die unabhängige Honorar-Anlageberatung ein generelles Zuwendungsverbot, für die Finanzportfolioverwaltung ist das Einbehalten von Zuwendungen verboten. Dies gilt sowohl für monetäre als auch für nicht monetäre Zuwendungen. Bei der Erbringung sonstiger Wertpapier-(Neben)-Dienstleistungen müssen Zuwendungen zur Verbesserung der Beratungsqualität genutzt werden und dürfen nicht als „Gewinn“ vereinnahmt werden. Finanzinstitute müssen dem Kunden alle Zuwendungen offenlegen und in einem Zuwendungsverzeichnis fortlaufend erfassen.

Best Execution – bestmögliche Ausführung von Kundenaufträgen:

Neben der Sicherstellung, dass jede Transaktion im bestmöglichen Interesse des Kunden ausgeführt wird, ist eine jährliche Top-Fünf-Liste zu erstellen. Diese soll Auskunft über die tatsächlichen Ausführungsplätze geben und ist jeweils bis Ende April zu erstellen und auf der Website zu veröffentlichen. Zwischenzeitlich ist die ESMA zu der Auffassung gelangt, dass diese Aufstellung nach 2024 als nicht mehr notwendig erachtet wird. Zudem besteht eine jährliche Verpflichtung zum Backtesting.

Meldungen von Transaktionen an die Aufsicht:

Die bisherige „§ 9 WpHG-Meldung“ wurde erheblich und insbesondere um persönliche Daten ergänzt. Durch eine eindeutige Identifizierung des Auftraggebers einer Wertpapiertransaktion wird eine zielführende Überwachung potenziellen Marktmissbrauchs und Insiderhandels durch die Aufsichtsbehörde sichergestellt. Für juristische Personen ist ein Wertpapierauftrag ohne den kostenpflichtigen sogenannten Legal Entity Identifier (LEI) nicht mehr möglich.

Beschwerdemanagement aufbauen:

Die Regulatorik fordert von Finanzinstituten die Einrichtung einer unabhängigen Funktion für das Beschwerdemanagement. Details zum Ablauf des Verfahrens sind transparent, aktuell und genau darzustellen und zu veröffentlichen. Eingehende Beschwerden sind zügig zu bearbeiten und systematisch in einem internen revisionssicheren Beschwerderegister festzuhalten. Zusätzlich zu bestehenden Meldepflichten ist der Aufsichtsbehörde jährlich ein Beschwerdebericht mit detailliert vorgegebenen Auskünften zu übermitteln.

Zugang zu Research:

Mit MiFID II zählen Finanzanalysen (Research) zu den nicht monetären Zuwendungen und unterliegen somit dem generellen Zuwendungsverbot. Die Bereitstellung von Analysen stellt nur dann keine Zuwendung dar, wenn das Wertpapierdienstleistungsunternehmen die Analysen aus eigenen Mitteln bezahlt oder aus einem separaten Analysekonto – gespeist von Kundengeldern – begleicht. Grundsätzlich darf der Erhalt von Research nicht von anderen Leistungen wie etwa Orderausführungen abhängen (Unbundling). Bei Research zu festverzinslichen Wertpapieren und Emittenten mit einer Marktkapitalisierung unter einer Milliarde Euro ist im Rahmen einer Opt-out-Möglichkeit eine gemeinsame Bezahlung von Finanzanalysen und Ausführungsdienstleistungen möglich.

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 Sandra Reinhard

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